Schwarze Trilogie

Einsamkeit

Draussen in der dunklen Kälte

Allein auf dem schwarzen See (aber der Mond erhellt die Nacht)

Einsamkeit

Draussen in der dunklen Kälte

Allein auf dem schwarzen See (aber der Mond erhellt die Nacht)
In meinen Zeichnungen wiederholen sich die Farben. Jedes wiederkehrende Gefühl hat eine eigene Farbe. Das ist einfach so entstanden, ohne Plan.
Nur eine einzige Farbe hat einen realen Ursprung: Dunkelblau, das für Geborgenheit steht. Es ist ganz einfach: Mein Therapeut trägt immer dunkelblaue Kleider…


Schwarze Verlassenheit

Dunkelblau-Goldenes Gesehenwerden

Dunkelblaue Geborgenheit bringt Golden-Grüne Lebendigkeit (mit roter Stärke)
Ich stehe in der Mitte. Jeder kann sich an mir bedienen. Bis es mich nicht mehr gibt. Bis ich leer bin.
Ich bin schutzlos. Ausgeliefert. Ohne Körpergrenzen. Man kann ungehindert in mich eindringen. Und sich alles nehmen, was man braucht.
Liebe. Kraft. Fürsorge.
Zuhören. Ausgleichen. Vermitteln.
Verstehen. Helfen. Leben.
Alles.
Ich weiss nicht, dass ich Körpergrenzen habe. Ich bin blind dafür.
Alles dringt ungehindert in mein Inneres ein. Alle Pfeile.
Die roten. Die orangen. Die olivgrünen.
Und die schwarzen.

Ihre zerstörerische Kraft macht mich kaputt. Langsam, aber unaufhaltbar. Sie hat viele Jahre Zeit. Und sie vollendet ihr Werk.
Bis meine Nerven kaputt sind. Und zerreissen.
Ich bekomme Panikattacken. Ich habe Ohrgeräusche. Da ist ein Brennen im Brustkorb, das nicht mehr weggeht.
Ich bin verspannt. Und bekomme davon Kopfschmerzen. Und wenn es schlimm wird, Übelkeit.
Ich kann nicht mehr schlafen. Die Gedanken kreisen unablässig. In der Nacht spielt mein Kreislauf verrückt und ich falle fast in Ohnmacht. Wieder und wieder.
Meine linke Gesichtshälfte fühlt sich taub an.
Ich habe Angst.
Ich weine. Ich schreie. Ich falle auf den Boden und habe keine Kraft mehr aufzustehen.
Ich habe keine Kraft mehr für das Leben. Der Tod scheint ein verlockender Ruheort zu sein.
Ich kann nicht mehr.
Und doch gibst du mir Lebenswillen. Genug, um durchzuhalten. Lieber Himmel-Papa.
Bis du mir Hilfe schickst. Nach über zehn Jahren.
Bis jemand sich meiner annimmt. Ein lieber Papa. Ein Therapeuten-Papa.
Er zeigt mir, dass ich geliebt bin. Und wertvoll. Und dass ich Körpergrenzen habe.
Etwas Eigenes, das liebenswert ist. Und schützenswert.
Jetzt lerne ich, das Eigene zu schützen.
Ganz langsam, aber unaufhaltbar.
Jetzt lebe ich wieder.
Es sind zwei Anteile in mir.
Di Chlii.
Sie ist noch ganz klein. Sie trägt allen Schmerz. Ganz allein.
Aber jetzt, wo der Schmerz benannt werden kann und gesehen wird, jetzt, wo ein Zugang zur verborgenen Höhle freigeschaufelt wurde und die Tür aufgeschlossen werden kann, bricht ihre Kraft zusammen.
Sie kann nicht mehr. Sie möchte endlich, endlich in den Armen des Vaters zusammenbrechen. Und allen Schmerz herauslassen.
Weinen und trauern. Und getröstet werden.
Sagen, dass es weh getan hat, so alleingelassen und einsam zu sein. Sagen, dass es schlimm war und nicht normal. Sagen, wie sehr die Nähe gefehlt hat. Wie sehr eine Umarmung gefehlt hat.
Und Geborgenheit.
Sagen, dass sie nicht gesehen wurde vom Vater. Dass er nie für sie da war. Sich nicht interessierte. Sie nicht ernst nahm.
Nur Witze machte. Nie nachfragte. Keine Verantwortung übernahm.
Dass er sie nie berührte. Nie zärtlich war. Sie nie in den Arm nahm. Oder auf den Schoss. Oder sie über den Kopf streichelte.
Dass er kein Vater war. Dass der Vater fehlte.
Di Chlii ist ganz nahe am Trauern. Aber wenn die Tränen kommen, ist sofort der andere Anteil zur Stelle:
Der Schutz.
Er versucht mit aller Kraft das Trauern zu verhindern. Denn weinen ist gefährlich. Der Strom der Tränen könnte alles wegschwemmen.
Deshalb hält der Schutzanteil die Staumauer aufrecht. Hält sie unter grosser Anstrengung aufrecht. Obwohl sie schon Risse hat. Und nicht mehr lange standhalten wird.

Aber das kümmert den Schutz nicht. Er hat nur ein Ziel: Das Überleben sichern. Das kommt vor allem anderen.
Überleben ist wichtiger als sich gut fühlen.
Der Schutzanteil hat eine wichtige Aufgabe erfüllt: Er hat den Schmerz fest verschlossen.
Damit er erträglich ist. Damit ich überlebe.
Er hat eine dicke Mauer darum herum aufgebaut.
Die Mauer heisst:
“Da war ja nichts!” “Es war doch nicht so schlimm!” “Du wurdest ja nicht geschlagen!” “Andere hatten eine wirklich schwierige Kindheit!”
“Dein Wunsch nach Nähe ist lächerlich.” “Dein Bedürfnis ist nicht wichtig.” “Du bist nicht wichtig.”
Ich rede freundlich mit diesem Anteil.
Damit die Mauer ganz langsam abgebaut werden kann.
Und dann kann der Strom fliessen.
Die Tränen.
Dann kann ich trauern.
Und finde Ruhe.
Endlich.
Wo höre ich auf? Wo fängt der Andere an?
Ich habe mich so weit zum Anderen hinübergelehnt, bis ich völlig aus mir draussen war. Ich wusste nicht, dass ich Körpergrenzen habe. Dass ich irgendwo aufhöre und ein Anderer anfängt.
Ich nahm das Eigene nicht wahr. Deshalb konnte ich es auch nicht schützen und lieben.
Ich ging aus mir heraus und in den Anderen hinein, in sein Inneres. Um zu schützen, zu helfen, zu stabilisieren. Um das zu geben, was mir gefehlt hatte. Nähe, Halt, Mitgefühl, Unterstützung.
Aber ich verlor dabei mein Eigenes. Ja, ich hatte es nie gekannt, nie gefunden. Es schien nicht wertvoll zu sein. Nicht schützenswert. Verachtenswert, klein und hilflos.
Aber ein Anderer sah es. Er sah das Eigene und er ehrte es. Er hielt es in seinem Inneren fest und bewahrte es. Er reichte es mir Stück für Stück hin, so wie ich es anzunehmen bereit war. Bis es in mir selbst Realität wurde.
Jetzt liebe ich das Eigene. Mein ureigenes Ich, das geliebt und geehrt ist von einem Anderen. Vom Vater.
Ich habe Körpergrenzen. Das fühlt sich gut an. Lebendig und kribbelnd.
Eigen. Stark. Schön.
Ich liebe mich selbst.
