Fieber
von Steffen
war das ein traum, die spritze, die ewig lange fahrt? die erinnerung ein dunkler flur, vertrocknete ranken, die maske ist zerrissen
gibt es ein noch größeres unglück als das gesuchte zu finden? ein verstohlener blick hinter die schatten des vorhangs
durch milchige fenster ein kaleidoskop aus grauen straßen dächer und giebel, wolken und ein himmel
der mir egal ist und dem ich noch egaler bin zum kümmern zu fern zum ignorieren zu nah
gewickelt in decken und starrend zur decke kälte umschließt mich vertraut mit ihren rauen händen
im blinden spiegel betrachte ich die fiebrige kontur von uns zu zweit beim zähneputzen
kichernd und neckend mit schäumenden mündern unverständliches in unsere ohren nuschelnd
doch irgendwie begreifend dass was wir sagen weniger wichtig ist
als dass wir im selben rahmen stehen und uns zu zweit dort stehen sehen
in alten t-shirts mit seltsamen drucken umrahmt von außen von dingen und räumen
entgrenzt von innen denn wissend dass unsere träume und wünsche und ängste und schwächen
enthalten sind und verstanden sind und endlich aufgelöst sind in diesem moment an einem ganz normalen abend
schon bald und nur wenig später bin ich wieder fast gesund
doch du bist plötzlich weg und ich in einem anderen land
an jenem tag begenet mir am briefkasten ein nachbar der selten grüßt und mich manchmal komisch anzusehen schien
seltsam synchron öffnen wir die knarrenden kästen in meinem ist nichts doch in seinem liegt ein buch über das ich einmal etwas geschrieben hatte
als ich das erwähnte sieht er mich lächelnd an und lädt mich ein
seine wohnung riecht nach pfeifenrauch und deckenhohe regale biegen sich unter ihrer last
wir sprechen lange über poe und zweig und moby dick in der ddr
später reichen wir uns dann in neu gewonnener gewissheit die hände und ich steige die treppe wieder hinauf
schließe hastig die tür auf setzte mich an meinen tisch und beginne voll diffuser wehmut aufzuschreiben
ich will nicht länger nach den falschen worten suchen und denken und sagen als ob und falls und was wäre und wann
ich will nicht mehr von leeren tellern essen und aus leeren bechern trinken und das akzeptieren was ich nicht bin und vielleicht nie sein werde
den letzten punkt drücke ich fast durch das blatt
lege den stift zur seite und putze mir die zähne ohne dabei in den spiegel zu schauen
kurz vor dem einschlafen merke ich dass mein fieber verschwunden ist
und träume nicht und träume nichts und träume von nichts und träume vom nichts.