Nachher

von Konrad

Mir fehlt der Übergang. Es gab keine Dunkelheit. Keinen Tunnel, Traumsequenzen, Twilightzonen, Visionen, nichts davon. Was es gab war das Vorher. Geschwindigkeit, Motorenbrüllen, Fahrtwind, der an mir und der Maschine reißt. Rollsplit in der Kurve, der felsige Abgrund, der mir viel zu schnell entgegen rast. Panik, Augen zu. Augen auf: Zwei Jahre später. Das Nachher, das, was es jetzt gibt. Die Fassaden sind gleich. Die Häuser dahinter sind es nicht. Mein Körper reagiert anders, schmerzhaft, oft gar nicht. Alles wiederholt sich. Ärzte, gefolgt von Therapien, gefolgt von Medikamenten, gefolgt von Physio, gellende Schmerzen, gefolgt von Ärzten. Polonaise der Grausamkeiten. Wer sind die Leute im Fernseher, im Radio, im web? Manche waren schon immer da und sind es immer noch. Andere, die wichtigen, die Entscheider, sind nie gesehene Gesichter. Aber das Schlimmste, das Zerstörende, das Marternste ist das „hohl sein“. Das ist meine Frau. Lisa. Das weiß ich. Das sind meine Kinder, meine Eltern, meine Freunde. Ich kenne und erkenne sie alle. So, wie ich die Busfahrerin kenne, oder den Mount Everest oder den Saturn. Abgespeichertes Wissen. Die Erinnerungen sind lückenlos. Das Gefühl ist tot. Verlassene, kalte Betonbunker in denen das Echo tropfenden Wassers ungehört verhallt. Ich kann so tun als ob, warm wirken und Geborgenheit vortäuschen. Wie lange kann ein hohler, leerer Körper Liebe imitieren? Der Therapeut meint, es kommt wieder. Geduld, Zeit, Willen. Ins kalte Wasser springen. Also springe ich. Der Betonboden rast mir viel zu schnell entgegen.