Primal Scream: Fragment vom Werden, Sein und Handeln

von Steffen

Am Anfang war nicht das Wort, sondern der Akt als Schöpfung durch ein schlichtes Sagen. Als Sprechakt und Autopoiesis, dem Erzeugen durch sich selbst und aus sich selbst heraus. Wir alle, so könnte man meinen, sind wenig mehr als die physischen Fortsetzungen und psychosoziale Brechungen jenes primären Akts, von wem oder was auch immer er ausging. Einerseits als die biologischen Akteure seiner Wiederholung im Fortpflanzungsakt als sympoietischem Mit-etwas-machen oder, schlichter ausgedrückt, des Miteinandermachens. Dennoch verweist die Geburt—als genetisch “befleckte” Mimesis des In-die-Welt-bringens durch die Sprache selbst—im “Urschrei” von Mutter und Kind sowohl auf Sprache als Entstehungsakt des Verstands als auch auf die Schmerzhaftigkeit und das Ausgeliefertsein während jedes schöpferischen Akts.

Die Menschwerdung—das gewollte oder ungewollte, aber doch unumgängliche Heideggersche Geworfensein in die Welt—eröffnet eine weitere Ebene dieser handlungsgeschichtlichen Exegese. Einerseits im Spannungsfeld des neugeborenen Kindes zwischen absoluter Hilflosigkeit und zukünftiger (jedenfalls theoretisch) unbeschränkter Handlungsmacht. Andererseits verweist die Entstehung des unbedarften, unwissenden und unschuldigen auf eine räumliche sowie moralische Dimension des Seins. Kulturell liegt diese im allegorischen Raum des Paradieses als “Vorort” zum Sündenakt, der nur den unschuldig (und damit paradoxerweise unmenschlich) Agierenden offen steht.

Das Paradies aber ist zugleich Ort ewigen Glücks und Schauplatz des schmerzhaften Akts der Menschwerdung, da ihm die unumgängliche Vertreibung bereits innewohnt. Allen derart Vertriebenen verbleibt schließlich als schwierigster Akt des Seins die Verhandlung ebendiesen Seins als Verhältnis zu sich selbst und allem anderen. Die Sprache als Werkzeug des Denkens und Verhandelns bildet aber einen unauflösbaren Widerspruch (im wörtlichen und übertragenen Sinn) zum unbewussten Handlungsraum des Paradieses, von dem sie sich gleichsam emanzipiert und “entsagt” hat. In jedem Streben nach Glück liegt somit bereits sein Scheitern und damit die Tragik menschlicher Existenz enthalten.