Der Staat Israel als Folie und Verneinung

Dmitrij Kapitelman (@Kapitelmanslife) tweetete am 03.09.23: “An Tagen wie diesen wünsche ich mir, dass wir nach Israel statt Deutschland gegangen wären. Dass Aiwanger bleibt, ist ein Offenbarungseid.

“Wie sehr kann man den Juden hier für noch für die Shoa ins Gesicht spucken? Und zwar selbstherrlich, „recht tuend“ und von oben herab.” (https://twitter.com/Kapitelmanslife/status/1698268000011354557)

Traurig, dass auch jüdische Intellektuelle in Deutschland den Staat Israel eher als Symbol und als Verneinung behandeln, als sich mit der dortigen Realität auseinanderzusetzen und auf diese Bezug zu nehmen. Das real existierende Israel steht mit diesem Tweet in keiner Verbindung. Und nein: nicht einmal in dem Sinne, dass die israelische Politik die Erinnerung des Holocausts mit weit mehr Respekt behandele. Leider nicht mal das ist real bzw. aktuell.

Der Staat Israel “als Verneinung”: das kuriose Phänomen, dass in Deutschland “Israel” als Folie verwendet werden kann, die in mancher Hinsicht als Gegenteil Deutschlands gelten soll. Das nimmt bei manchen “Antideutschen” extremen Ausmaß, kommt aber auch anderswo vor. Ich muss dabei an irgendeinen Text denken, in dem eine junge deutsche Jüdin davor schwärmt, dass in Israel jüdische Feste öffentlich präsent und von der Mehrheit gefeiert werden, als Gegensatz zu Deutschland. Nachvollziehbar, dass man sich danach sehnt. Aber: Beim schwärmen vor der Jüdischkeit der israelischen Öffentlichkeit wird das damit einhergehende, dauernde Problem ausgelassen, des religiösen Zwangs in der Öffentlichkeit. Und natürlich die Unterdrückung von nichtjüdischen Mitbürgern und Nichtbürgern. Zentrale Probleme der isr. Politik. Wenn man einfach so einen Aspekt, selbst einen realen – also nicht wie in diesem Fall –, aus der konkreten Komplexität der israelischen Lebensrealität auspickt, kann man anhanddessen nicht von “Israel” als die bessere Welt reden. Damit bleibt man völlig im innerdeutschen Diskurs, es geht nur um einen vorgestellten Unterschied im deutschen Kontext und nicht um den Staat Israel. Aber leider scheinen es vor allem solche Teil- und Wunschvorstellungen die zu sein, die in Deutschland mit “Israel” verbunden werden.