Sagt mir nicht, was meine einzig logische Konsequenz sein kann!

In der Logik haben sogenannte „Allaussagen“ viele besondere Eigenschaften. Denn wenn etwas immer, also ausnahmslos und pauschal stimmen muss, ist das eine ganz andere Art von Verallgemeinerung, als wenn man zum Beispiel behauptet, so und so ist es in der Regel oder meistens: allein eine Ausnahme kann ausreichen, um eine Allaussage zu widerlegen. Zu sagen, etwas ist immer der Fall, heißt also, das Gegenteil pauschal auszuschließen.

Das klingt jetzt sehr abstrakt und theoretisch, spielt aber auch in ganz konkreten politischen Zusammenhängen eine Rolle.

Wenn also zum Beispiel die sogenannte „Artists against Antisemitism“ behaupten, „Israel [sei] die einzig logische und zwingend notwendige Konsequenz aus“ der Verfolgung von Juden und Jüdinnen, heißt das nicht, eine andere Konsequenz wäre problematisch oder unrealistisch, sei zu marginal, habe vielleicht nicht mehr die selbe Relevanz wie früher. Nein, damit wird direkt gesagt, es kann keine andere Konsequenz geben als „Israel“ – womit vermutlich nicht nur die abstrakte Idee eines jüdischen Staates gemeint wird, sondern der konkrete Staat Israel mit all dem, was er tut, um sich aufrecht zu erhalten.

Freilich haben diesen zutiefst rassistischen Brief manche Leute aus aufrichtiger Sorge ums jüdische Leben unterstützt. Doch wer meint, Juden:Jüdinnen darin in Schutz zu nehmen, dass er:sie pauschal erklärt, es gebe nur eine politische Herangehensweise die als Folge unserer Geschichte gilt, schützt uns dabei nicht. Im Gegenteil.

Dadurch, dass jede andere Konsequenz ausgeschlossen wird, wird uns die freie Wahl nach unserer Antwort auf unserer eigenen kollektiven Verfolgung genommen. Alle, die „falsch“ wählen, werden dadurch in der Regel vom Schutz in praktischer Hinsicht ausgeschlossen. Dass der Staat Israel selbst abtrünnige Jüdinnen:Juden verfolgt, macht das ganz deutlich.

Sprachliche Äußerungen haben außerdem nicht nur einen logischen Inhalt wie jene Allaussagen, sondern auch eine soziale Form, als Sprechakt. Dieser begrenzt sich nicht mehr darauf, was genau gesagt wird, sondern schließt mit ein, wie das in Interaktion mit anderen Menschen wirksam ist. Dafür ist die Sprecherposition auch relevant.

Im Kontext des Briefs ist es von Bedeutung, dass seine Aussagen auch (wenn nicht vorrangig) von Menschen ohne jüdischen Hintergrund unterstützt wird.

Ich habe doch mit der jener Position ein Problem selbst wenn sie Juden:Jüdinnen äußern – aber es ist ein anderes Problem. Denn es ist ein anderer Akt zu sagen, “wir müssen so und so handeln” versus “ihr habt beziehungsweise die da haben nur so und so zu handeln”.

Letzteres ist nie solidarisch. Es ist eine Bevormundung.

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All dies gilt auch, wenn gesagt wird, nur Antizionismus ist eine legitime Antwort auf Antisemitismus.

Natürlich freue ich mich als jüdischer Antizionist, wenn nichtjüdische Leute verstehen und anerkennen, dass Antizionismus eine vernünftige Antwort auf Antisemitismus liefern kann. Aber wenn sie festlegen, dass es die einzige ist, ist das ein Problem, und nicht nur, weil mancher Antizionismus auch mit Antisemitismus koexistieren kann.

Damit will ich natürlich nicht sagen, nur Jüdinnen:Juden dürften den Zionismus kritisieren oder scharf verurteilen. Man kann ja anerkennen, dass der Zionismus als Idee eine legitime Antwort auf den Antisemitismus ist, oder zumindest einmal war, gleichzeitig aber betonen, dass das keine Unterdrückung anderer legitimieren kann.