Zauberwerk

Alchemie des Fiktionauten

“Gewöhnlich aber begeht man in dieser Zeit vier Rauchnächte: am Vorabend von St. Thomas (21. Dez.), Weihnachten, Silvester und Dreikönigen). An diesen Abenden durchräuchert ein Priester oder der Hausherr oder die Hausfrau nach dem Abendläuten alle Räume des Hauses und die Ställe mit geweihten Kräutern oder Weihrauch und besprengt sie mit Weihwasser. Dazu werden Gebete gesprochen, um Hexen und böse Geister zu vertreiben.”

Handbuch des Deutschen Aberglaubens. S. 526

So sieht es zumindest die 10-bändige Enzyklopädie von Hanns Bächtold-Stäubli die zwischen 1927 und 1942 erschien. Auf dieses Handbuch berufen sich viele, die heute zu den Rauhnächten publizieren, wenngleich es wohl auch Profunderes und ungleich Kritischeres zum Thema gäbe. Vieles von dem düsteren Dampf, den dieses Werk abgibt, wäre zu vermeiden in der Auseinandersetzung mit dem Aberglauben, war es doch ein Werk das in der Zeit des Nationalsozialismus seinen Ursprung nahm. Doch das ist dem beschwingten Geschreibe über den Wert und die Funktion von Rauhnächten wohl egal.

Wer heute das Internet nach entsprechenden Hinweisen zum Thema durchforstet, wird jenseits aller ethnologischer Erklärungsversuche von einem Wust an Populärliteratur und Postings selbsternannter Lebensbegleiter erschlagen, die die mittlerweile auf 12 Stück angewachsenen Rauhnächte zu allerlei besinnlichen, spiritualistisch, naturreligiös oder christlichen motivierten Feiertagen hochstilisieren. Rauhnächte werden so zu ausbeutbaren Ressourcen für den moderne Wunderglauben am Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie sind (um mit Sigmund Freud zu sprechen) weniger sachliche Information (“Fakten”) als vielmehr Ausdruck des eigenen psychischen Apparates, Wunschdenken, wenn man so will:

“Ich glaube in der Tat, dass ein grosses Stück in der mythologischen Weltauffassung, die weit bis in die modernsten Religionen hineinreicht, nichts anderes ist als in die Aussenwelt projizierte Psychologie.”

(Sigmund Freud: Psychopathologie des Alltagslebens, 1904)

Wir zweifeln schon aus diesem Grund an all diesen weihevoll vorgetragenen Ansichten, die als Informationen über eine wie immer geartete und postulierte “andere” Realität daherkommen. Dazu einige Eckpfeiler:

  • Die Zeit gehe zurück auf altes europäisches Brauchtum, insbesondere auf keltische und germanische Traditionen. Das legitimiere sie jenseits aller wissenschaftlicher Befunde.
  • Es handle sich also um besondere Nächte, in denen Hexen und böse Geister ausgetrieben werden sollen, die nunmehr verstärkt auftreten. Jahrhundertelang habe man diesen Brauch betrieben, sie gehen auf einen “Ursprung” zurück.
  • Bei den Rauhnächten handle es sich um Gelegenheiten, in denen eine bestimmte “Transformationskraft” wirksam werde, in denen also eine bestimmte Magie herrsche. Diese gelte es zu erkennen und behutsam zu nutzen, um sich spirituell weiterentwickeln zu können.
  • Es handle sich dabei um eine “Schwellenzeit”, die zwischen den Jahren wirksam werde. Diese Zeit lasse sich mit der Lücke zwischen dem Mond- und dem Sonnenjahr erklären. Man lasse das Alte zurück und mache sich fit für das Neue.
  • Die Zunft der “Lebensbegleiter” oder “Spirituellen Führer” wird nun besonders wichtig. Mittels ritueller Verrichtungen eröffnen sie den willig Gläubigen die Pforten zur Anderen Welt, jenseits der schnöden Alltagsroutine mit ihren bedrohlichen Szenarien.
  • Das Räuchern wird zum zentralen Ritual, um den Raum um den Einzelnen von Negativem zu reinigen und Positives vorzubereiten. Nur wenn man selbst positiv sei, könne die Welt positiv werden.
  • Rauhnächte gehen sozusagen alle Menschen “guten” Willens an und reichen in ihrer Bedeutung deshalb von der christlichen Besinnung über lebenspraktische Bedeutung spirituell – schamanistische Praktiken bis zur Beschwörung durch moderne Wicca und schamanische Praktiken.

Ob die Zusammenhänge, die diese Rauhnächte konstituieren sollen, der Vernunft und demokratischen Prinzipien tatsächlich standhalten können, bleibe dahingestellt. Das ist auch tatsächlich nicht wichtig. Im Gegenteil: Vernunft wirkt schädlich im Kreis der spirituellen Verzückung und verhindert das Heraufbeschwören des “Geistigen”. Ob die Rauhnächte im Lichte der Wissenschaft überhaupt das sind, was behauptet wird, ist deshalb zweifelhaft. Aber Faktizität spielt ohnehin keine Rolle, wenn nur mehr die Wunschproduktion des Einzelnen nach Erbauung, pseudo-sakralem Ritual und esoterischer Beseeltheit zählt. Da dreht man auch gerne die Bedeutungen um. Nicht mehr das Unbewusste regiert das Bewusstsein, im Gegenteil: mittels Ritual wird auf das Unbewusste Einfluss genommen, es in eine bestimmte Richtung gedrängt. So glauben es die Gläubigen.

Das Neue daran: Man kann das Gefühl und die Erhabenheit, mit den Rauhnächten über den Dingen der Alltagsroutinen zu stehen, tatsächlich käuflich erwerben. Ein Verkaufsprodukt (das “Besinnungspaket”) wird geschnürt, und schon sinkt man gläubig und erleuchtet darnieder in teuren Seminaren, die das Heil verkaufen. Es gibt auch das Sparpaket: ein Set Tarotkarten, Räucherwerk, Kerzensets, und all das andere Zeug, das das Vorhaben unterstützt, ja erst wirksam macht.

Natürlich haben wir an dieser Stelle auch ein wenig Verständnis für die Menschen, die sich willig dem modernen Zauber hinzugeben wünschen: denn sie sind (so wie wir) Gebeutelte der globalen Krise, die uns alle auf unserem kleinen Flecken Zuhause heimgesucht hat: Pandemie, Krieg, Klimakatastrophe und bedrohliche Armut. Sie alle suchen Linderung ihrer Leiden, indem sie sich in sich hineinverkriechen. Doch andrerseits: Wir hätten auch alternative Mittel, um den Bedrohungen zu begegnen, als uns zu beweihräuchern. Politisch aktiv werden, sich kritisch mit den Bedrohungen zu beschäftigen, informieren, aufklären u.v.a.m. Aber wir nutzen das nur selten, kehren dafür lieber in uns ein.

Aberglaube, Volkskunde, Lebenshilfe, Lifestyle, Esoterik? Ein weiter Bogen spannt sich von den entsprechenden Formen volkstümlichen Aberglaubens bis hin zu spiritualistisch motivierten Verklärungen, die auch im aufgeklärten Christentum als “Heilige Zeit” bezeichnet wird. Denn wie immer hat sich das Christentum alter Bräuche und Missbräuche bedient, um ihren Gott über alten Volksglauben überzustülpen und davon zu profitieren. Doch das weiss man ohnehin und es braucht deshalb nicht mehr weiter erörtert zu werden. Mit sehr viel Schadenfreude beobachten wir, dass den christlichen Dokmatikern der katholischen Kirche mit ihrem Glauben das Gegenteil passiert: aus ihrem mühsam erarbeiteten Sakralbestand wird Esoterik, aus der sich die Masse der modernen Ungläubigen bedient, die Lust auf ein wenig Erbauung haben, aber der alten Märchenwelt des Christentums abgeschworen haben und zu neuen Ufern aufgebrochen sind. Pech gehabt, Betbrüder und -schwestern, aber so gehts in der Geschichte zu.

Aber auch der Aberglauben bedient sich immer wieder historischer Muster: der “alte” Aberglaube genauso wie sein moderner Abkömmling, der Spiritualismus. Erst damit schafft man den Sprung zur sogenannten logischen Erklärung, mit der der selbstproduzierte Humbug erklärt und verteidigt wird. Mit dem Verweis auf alte Volksbräuche (die immer schon auch selbst auf andere historische Volksbräuche verwiesen haben) wird die eigene Tradition erst möglich. Irgendetwas wird schon am Beginn der Wunschproduktion stehen. So wird es möglich, sich selbst die notwendige historische (und damit pseudo-wissenschaftliche) Begründung zu geben. Am Anfang dieser langen Kette, die sich im Nebel der Vergangenheit verliert, steht die zusammenschusterte Wahrheit. Dass etwas einstmals geglaubt wurde, berechtigt, daran zu glauben, das dies auch tatsächlich existiere. Halleluja!

Natürlich existiert der Aberglaube, aber wohl immer nur als Erzählung, als Narrativ, als Ausdrucksform für Zeiten, die entweder vergangen oder so wie heute von tiefgreifenden Krisen geprägt werden. Da wo das Christentum im Sterben liegt, kehrt der neue Glaube wieder, der diese, unsere Gesellschaft heilen soll. Die Rauhnächte dienen als Ressource, als Munition in diesem Prozess.

Die Antike Tintenkaskade gehört zu den Schreiberlingen, einer Pilzfamilie, aus denen in prädigitaler Zeit Schreibflüssigkeiten destilliert wurden. Die daraus gewonnene sgn. “Tinte” wurden mit dünnen Stiften auf bestimmten, speziell dafür aufbereiteten, sehr hellen Flächen aufgetragen.

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Gehört zur Gruppe der noch wenig erforschten Tontröten. Wird als handtellergrosse, rötlich leuchtende Sphäre beschrieben, die mit ihrer porösen Basaltunterlage eine Symbiose zu beiderseitigem Nutzen eingeht. Effekte als Bodenverdichter konnten beschrieben werden.

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Gehört zur Familie der Wanderpilze. Erscheint als trompetenfärmiger, etwa fingergrosser Stab für wenige Minuten am Tag an der Erdoberfläche. Bodenbrecher mit riesigem Wurzelkörper, der sich über weite Wiesenlandschaften mit hohem Giftgehalt verbreitet. Meist in Familien von 10 bis 15 knallgelben Exemplaren vorkommend. Zieht sich bei kleinsten Erschütterungen oder bei Aufkommen von Wind wieder in den Untergrund zurück.

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Name: Vermessene Knollengabe.

Gehört zur Familie der Wächterpilze. Etwa handgrosser Sporenspender in Beutelform. Steinkleber. Meist in Familien von schwarzen, dunkelblauen bis grünen Exemplaren wachsend, nimmt er oft grosse Flächen ein. Benötigt sandige, von Gewässerläufen aufgeschwemmte, Silikat haltige Gelbgründe. Wachstum in Umgebungstemperaturen zwischen minus 180 bis plus 360 Grad Celsius beobachtet. Hoch strahlungsresistent.

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Ich musste mich erst in einem Lexikon vergewissern: Als Mykorrhiza wird eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen bezeichnet, bei der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt steht. So liefern die Mykorrhizapilze liefern der Pflanze Salze wie Phosphat und Nitrat sowie Wasser und erhalten ihrerseits einen Teil der durch die Photosynthese der (grünen) Pflanzen erzeugten Assimilate.

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Anlässlich der heutigen partiellen Sonnenfinsternis die Erinnerung an eine totale: Liedtext des gleichnamigen Songs der Einstürzenden Neubauten aus dem Jahr 2000.

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Schwer ist es, das Handwerk des Apfelstrudel – Backens! Man vergesse die Rezepte, die es in den Untiefen des Internets zu begaffen gibt: mehr Bild als Text, mehr Lifestyle als sinnvolle Belehrung. Meist Fake. Ob das derart Bebilderte verlässlich ist, bleibt immer fraglich.

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Die Quitte ist eine bemerkenswerte Frucht. Schwer, knollig, pelzig und goldgelb hängt sie im Herbst in den Bäumen, duftet säuerlich und wird im Oktober reif. Äpfel und Birnen stehlen ihr zwar unter den KonsumentInnen die Show, aber das erträgt sie mit Gelassenheit. Denn sie ist ja was Besonderes: eine Künstlerin der Farbe, des Geruchs und des Geschmacks. Roh ist sie ungeniessbar, aber richtig zubereitet wird sie zur Königin des Genusses.

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In der Kindheit, dieser Berg an Kirschen, der vor mir in einem geflochtenen Körbchen lag! Unerlaubt (in mehrfacher Hinsicht) habe ich ihn gierig verzehrt. Der Tabus waren ungeachtet dessen viele.

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