Einsam

Vogelgezwitscher und fröhliche Kinderrufe waren zu hören. Der Mann, der in diesem grünen Park auf der Bank saß, lauschte den Geräuschen. Er saß friedlich neben seinem angeleinten Labrador. Der ruhige Hund hechelte leicht und schnupperte den Duft des gemähten Rasens. Die beiden machten eine Pause von ihrem morgendlichen Spaziergang. Jeden Tag war der Mann mit seinem Hund Gassi gegangen. Da seine Frau vor einigen Jahren gestorben war, musste er jeden Morgen früh aufstehen, um dem Hund ein bisschen Freilauf zu ermöglichen. Doch etwas war anders als jeden Morgen zuvor; der Mann war nicht begeistert von dem Elan der Kinder, er lauschte nicht friedfertig den Vögeln, er ignorierte den Duft des Sommers. Sonst war er immer wie mitgerissen von der heiteren Stimmung im Martinspark, doch diesmal lies es ihn kalt. Versunken in Gedanken war der Mann auf der Bank. Es waren dieselben Gedanken, die er in letzter Zeit schon oft hatte. Dieselben, die ihn schon häufig in seinen Träumen plagten. Wie ein Labrador an einem Knochen nagten sie an ihm. Er blickte zu den Kindern, die Sandburgen bauten und schaukelten. Hinter dem Gerüst der Schaukel standen fröhliche Eltern, die ihrem Nachwuchs Anschwung gaben. Und je höher die Kinder schaukelten, desto mehr strahlte sie. Ich habe keine Kinder, dachte der Mann traurig. Sein Blick wanderte vom Spielplatz herüber auf ein paar Männer und Frauen, die gemütlich auf einem Teppich unter einem Baum saßen. Kaffee, Plätzchen und Kuchen zierten den Picknickplatz. Schon von Weitem konnte der Mann mit seinem Hund erkennen, wie die Männer und Frauen einander an strahlten, sich Witze erzählten und genüsslich in den Kuchen bissen. Dann kam der nächste bekümmerte Gedanke in seinen Kopf. Ich habe keine Freunde. Der schmollende Blick huschte weg von dem Picknick und landete auf einer Bank, nicht weit weg von der, auf der der Mann saß. Dort, unter der großen Eiche, saßen zwei Menschen. Ihre Freude stellte selbst das Lachen der Kinder in den Schatten. Selbst Menschen, die kurzsichtig waren, hätte von weiter Ferne erkannt, dass diese zwei nicht nur Bekannte waren. Auch dem Mann entging es nicht; wie die beiden sich ansahen, wie sie ihre Hände hielten und wie sich langsam ihr Lippen spitzten und aufeinander zu gingen. Der schmerzlichste aller Gedanken durchdrang seinen Körper. Ich habe keine Liebe mehr. Er erinnerte sich an seine Frau, wie sie damals Hände hielten, einander in die Augen blickten und sich küssten. Doch der Tod hatte sie geschieden. Ich habe keine Kinder, keine Freuden, keine Liebe. Ich bin ganz allein. Leise flüsterte der traurige Mann diese Worte. „Ich bin ganz allein.“ Und bevor ihm die Tränen kamen, spürte er, wie etwas an seinem Bein streichelte. Es war der Kopf seines Labradors.

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