RetroTagebuch 1983.

40 Mädchen – 40 Jahre

“Nachts schlafen die Ratten...

40 Mädchen aber sind putzmunter und versammeln sich gegen fünf Uhr vor der Schule und sind nicht traurig, zehn Tage auf deren Anblick verzichten zu müssen. Die Gruppe wird von einem Lehrer, einer Lehrerin und dem Busfahrer begleitet. Letzteren, der mit Vornamen Bernd heißt, nennen wir BB, Bernd der Busfahrer.

Nachdem Kosmetikbeutel, Kassettenrecorder und private Souvenirs (Fotos, Liebesbriefe etc.) im Universbus verstaut waren und alle von ihren allerliebsten Freunden oder Müttern mit zärtlichen Abschiedsküssen verabschiedet worden sind, setzte sich der Bus in Bewegung. Au revoir, au revoir....

Das Tagebuch ist ein halbes Jahr vor dem Abitur entstanden und handelt von der Abi-Abschlussfahrt in die Provence.

Das handgeschriebene Heft mit eingeklebten Zeitungsbildern ist inzwischen stark zerfleddert.

Wir kramten die ersten Zigaretten heraus und machten es uns bequem. Wir waren schrecklich albern, lachten und freuten uns auf die Abwechslung. Als wir herausbekommen haben, dass wir unsere eigene Musik im Bus hören dürfen, BB war großzügig, zeigten sich aber auch gleich die unterschiedlichen Geschmäcker: Sunshine Reggae (Laid Black) und Alt wie ein Baum (Puhdys)  …

Bald hatten wir über diese und jene Plauderei und Beschwerden über zu leise oder zu laute Musik die Grenze erreicht...

… und stellten bei einem Blick aus dem Fenster des Busses fest, dass uns zwei Motorradfahrer verfolgten. Die Mädels auf der hintersten Bank kicherten wissend und winkten nach draußen. Nicht jede/r konnte seine Freunde hinter sich zurück lassen und sich mit Fotos begnügen. Einige wurden ganz real mitgenommen! Würden die Verfolger das wirklich bis zum Ende durchziehen?

An der ersten Raststätte freuten wir uns auf den berühmten französischen Kaffee. Schmunzelnd erinnerte ich mich an die gerade vergangen Sommerferien, die ich ebenfalls in Frankreich verbracht hatte. Da hatten wir auf der Hinreise ein Päarchen getroffen, das uns nach ein paar französischen Wörtern gefragt hatte – so zum Hausgebrauch. U.a. auch: Was heißt eigentlich Kaffee auf französisch? Oder Toilette? Nun, schien uns (mir) das Erlernen der französischen Sprache in den Schultagen auch recht schwer. Diese Worte konnte ich dann aber doch ganz leicht übersetzen... Allerdings, der Café au lait, den wir an der Raststätte erwerben konnten, war eine undefinierbare Brühe in einem Pappbecher und hatte mit dem berühmten “Savoir vivre” nichts zu tun.

Unser begleitendes Lehrpersonal waren Frankreichliebhaber und es ist ihnen sicher gelungen, ihre Liebe zu dem Land ein Stück auf uns zu übertragen. Wir wussten es allerdings damals noch nicht so zu schätzen und als alle paar Minuten unsere Musik unterbrochen werden sollte, um ein paar wichtige Informationen über Land und Leute zu erfahren, sank unser Toleranzlevel gegen Null.

Wir hatten unsere Unterkunft in einem Prospekt bereits bewundern dürfen. Ein kleines Schlösschen – die Franzosen können ja kaum anders wohnen und leben, dachten wir – in einem großen Park. Nun, als Bernd den Bus in Mitten einer Wolkenkratzersiedlung zum Halten brachte, glaubte daher auch keiner so recht, dass wir am Ziel angekommen waren...