Wie ausgewandert. (Teil 1)

Vom Strandhaus sind es nur ein paar Schritte

zum breiten weißen Sandstrand.

Es ist kurz vor Sonnenaufgang.

Der Sand ist kühl.

Das Meer brandet gegen das Ufer.

Der Hund läuft wie selbstverständlich über die helle Fläche dem Wasser entgegen und bald spült das Meer wellenartig um unsere Füße.

Gleich einem roten Ball taucht die Sonne aus dem Meer auf und breitet sich am Himmel aus.

Wir laufen dem Sonnenaufgang entgegen.

Endlos könnte es gehen, denn der Strand scheint nie aufzuhören.

Aber der Urlaub neigt sich dem Ende zu.

Aus der Traum.

Zuhause erwartet uns ein schwüler Alltag.

Wer träumt da nicht vom ewigen Weiter so?

Von einem Leben an der Küste?

Von der frischen Brise, die nie enden will?

Jeden Tag Strand, jeden Tag Meeresrauschen in den Ohren und den Salzgeruch in der Nase?

Sicher kennen einige dieses Gefühl am Ende eines Urlaubs, dass er doch ewig dauern möge und die Umgebung, in der alles so entspannt und spannend und traumhaft war, möge immer da sein.

Uns ist es so ergangen, als wir vor Jahren als neue Hundebesitzer die Ostsee entdeckt haben.

Ganz besonders der Priwall, die kleine Halbinsel vor Travemünde, hatte es uns angetan.

Unsere Urlaube dort waren wie Robinson Crusoe Abenteuer.

Natur pur.

Nach dem zweiten oder dritten Mal, vor ein paar Jahren, saßen wir wieder gegen Ende eines Urlaubs verträumt im Strandkorb, schauten wehmütig über die See und wollten uns einfach nicht trennen.

Und so schauten wir spaßeshalber mal in die Immobilienanzeigen und tatsächlich stand ein Haus auf dem Priwall zum Verkauf!

Für immer?

Mit dem Rad war das Objekt schnell erreicht. Es war ein ganz normales Haus für eine Familie mit Garten und damals auch noch zu einem Preis zu kaufen, der sich bis heute sicher verdoppelt hätte.

Wir malten uns in den schönsten Farben aus, wie es wohl wäre, auf dem Priwall zu leben und mussten gleichzeitig erkennen, dass die Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen leider überhaupt nicht möglich war.

Aber die Sehnsucht nach der frischen Brise ging uns nicht mehr aus der Nase.

Von zuhause schauten wir uns nach Immobilien zum Mieten oder Kaufen um, eine Zeit lang haben wir daran gedacht, wir könnten eines der kleinen Wochenendhäuschen auf dem Priwall erwerben, eine Siedlung, die es schon zu DDR – Zeiten gab.

Es blieb ein Traum.

Vielleicht mal später.

In der Rente?

Aber der Traum führte dazu, darüber nachzudenken, wie und wo wir zukünftig leben wollten.

Heute denke ich, dass es gut war, dass wir Zeit hatten, dieses Zukunftsbild reifen zu lassen.

Es hat uns später geholfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Was gut überlegt sein will.

Tatsächlich hatten wir schon einmal, viel früher, die Idee gehabt, richtig auszuwandern, also in ein anderes Land zu gehen.

Damals standen wir im Hafen von Plymouth bei Boston in New England, der Heimat des Gatten, und hatten überlegt, ob wir ein Bed & Breakfast in den USA aufmachen wollen.

Dabei gehen einem natürlich viele Gedanken durch den Kopf.

Das Leben war doch eingerichtet. Freunde, Kollegen, ein Netzwerk, die vertraute Umgebung, der Menschenschlag.

Bis dann der nächste Urlaub anstand.

Und plötzlich hatte sich etwas verändert.

Wir waren bereits einen Schritt Richtung Norden gegangen. Wir lebten zu dem Zeitpunkt im Ruhrgebiet. Die Entfernung zu Freunden, früheren Kollegen, zur Familie hatte sich vergrößert. Wir machten die Erfahrung, dass ein regionaler Wechsel möglich ist. Und Kontakte trotzdem bestehen bleiben.

Die Zeit ist reif!

Einige Zeit später fuhren wir dann plötzlich an die Ostsee, nicht um Urlaub zu machen, sondern um ein Haus anzusehen.

Wir haben es nicht genommen, aber diese Aktion zeigte uns:

Die Zeit ist reif!

Bis es plötzlich ein Jobangebot gab.

Wir waren gerade auf einer holländischen Insel und hatten Gäste, um einen runden Geburtstag zu feiern.

Meine Freundin und ich wanderten mit unseren Hunden durch die Dünen zum Strand.

Es war Mitte Februar.

Winterlich.

Der Strand war einsam.

Wir wanderten zu einem Strandcafé, das auf hohen Pfählen stand, und ließen uns vor einem warmen Feuer in tiefe Ledersessel fallen.

Meine Freundin, die ich seit den Kindertagen kenne, und ich haben solche und andere Situation schon häufig genutzt, um nach den Sternen zu greifen.

Als Teenager saßen wir auf der Schaukel auf dem Kinderspielplatz und haben in den Abendhimmel philosophiert. Wie soll die Zukunft sein?

Aber auch Geburtstage bieten sich an, darüber nachzudenken, was war, was kommt und was das Leben an Abenteuern zu bieten hat.

„Und wovon träumst Du?“ so oder ähnlich wird ihre Frage gelautet haben.

„Nach Kiel zu gehen.“ schmunzelte ich.

Ich war selbst etwas überrascht über meine Antwort.

Ein paar Wochen später war der Vertrag unterschrieben und wir bereiteten unseren Ortswechsel vor.

Es sollte allerdings noch einige Zeit dauern, bis wir wirklich in unserem Zukunftsbild angekommen waren.

Denn zunächst rasselte uns die Pandemie in die Pläne und dadurch kam alles etwas anders als ursprünglich vorgestellt.

Wir landeten auf einer Insel!