Lauf. Stein. Weg.

Mit dem Laufen angefangen, geht eigentlich, fühlt sich wie Sport an, wie echte Anstrengung, man kommt ins Schwitzen. Im Grunde würde ich ja am liebsten einfach immer nur auf Berge steigen, aber da hier keine sind, muss ich vielleicht einfach im Flachen rumrennen? Geht aber leider sofort volle Pulle auf den Rücken, nach drei oder vier mal Laufen schon das deutliche Gefühl, der Hexenschuss stünde kurz bevor, so als krampften die ganzen Rückenmuskeln. Man wird sehen, wohin das alles führt. Ich mach keine großen Pläne im Moment, lebe von Tag zu Tag, Woche zu Woche. Keine weiteren Horizonte im Blick.

Bei Steinway war ich letzte Woche, den alten Flügel verkloppen. Kein New Yorker sei mein Steinway, wurde mir beschieden, weil nicht eckig an der Seitenkante. Erinnere mich deutlich, wie ich den Steinway vom ersten Tag an hasste, als mein Vater ihn neu hatte, ich fand den Anschlag immer ganz schlecht zu dosieren, finde das heute noch, kein wirkliches piano möglich, der alte Bechstein war viel softer, viel schöner im Ton, der Steinway viel zu laut und nur grell, aber mein Vater, wie er mit einem für ihn wirklich seltenen Leuchten in den Augen verkündete: Das ist ein New Yorker! Und wie selten die in Europa seien. Jetzt ist er am Ende nicht einmal das mehr. Fast mag ich schon diesen verhassten Flügel wieder, weil er so ein bescheuertes Stiefkind ist, das gar keiner richtig lieb hat. Steinwayheini antwortet aber auch nicht auf meine Mail, ich habs ja kommen sehen: Es wird schwer, das verfluchte Ding loszuwerden.

Crazy natürlich, in so einer Steinwayfiliale rumzustehen, plötzlich stupst mich was von unten an, ich hüpfe halben Meter zurück, ist es ein silberbraunmetallic lackierter Hund mit Diamantcollier um den Hals, ich im Kapuzenpulli und mit C.s altem Sternentuch um den Hals. Ich verkleide mich ja nicht, bloß weil ich zufällig mal bei Steinway reinschneie, aber dann kommt man sich eben doch plötzlich so vor, als wäre man auf einem anderen Planeten gelandet. Dem Steinwayheini gings wohl ähnlich, mehrfach fragte er mich, wo denn der Flügel stehe. Auf die Meldung: Hier in Berlin, hier in dieser Stadt, reagierte er ungläubig, hatte den Flügel sich wohl an exotischerem Ort vorgestellt. Tatsächlich war ich ja zu Fuß hingelaufen, so nah sind die völlig anderen Welten, und das ist ja die eigentliche Tiefendimension von Stadt: Zu Fuß zum Legoladen, zu Fuß zum Steinwayladen: Das Disparate auf engstem Raum zusammengeschoben, aber im Legoladen fühle ich mich dann doch wohler, am wohlsten eigentlich auf den Bergen, die es hier nicht gibt.