Geld oder Zeit?

Kleine Kinder entwickeln zeitvergessen ihre Interessen und Leidenschaften, entdecken verspielt die Welt, erweitern so ihren geistigen Horizont, lernen Neues, wachsen, werden groß.

„Unsere Kindheit ist ein Ort, an dem die Zeit zunächst weniger wichtig ist, man schwimmt in ihr wie in einem Meer: die Zeit erscheint endlos, und man kann sich treiben lassen.“ (Teresa Bücker)

Tatsächlich haben Kinder in den ersten Jahren noch kein Zeitbewusstsein.

Kleine Kinder werden gefragt, was sie später einmal werden wollen.

Warum später?

Und warum fragen wir nicht: was möchtest Du (später einmal) SEIN?

Haben oder Sein?

Bereits der Sozialpsychologe Erich Fromm, bekannt für sein Werk „Die Kunst des Liebens“, fragte in den 1976ern „Haben oder Sein?“ oder wie es im Englischen heißt: to have or to be?

Fromm schreibt damit ein zutiefst gesellschaftskritisches Werk, das Konsum und Marktorientierung dem schöpferischen Sein des Menschen gegenüber stellt.

Arbeit gleich Erwerbsarbeit wird in unserer Gesellschaft als besonders wertvoll angesehen. Familienzeit, freiwilliges Engagement, politische Arbeit, Nachdenken, lesen, Kreativität oder gar Nichtstun zählen weniger bis gar nichts. „Wer nicht (erwerbs-) arbeitet, ist faul.“ heißt es in manchen politischen Phrasen. Arbeiten unterscheidet sich von Geld verdienen.

Nicht alle, die Geld machen, arbeiten. Und viele, die viel arbeiten, erhalten dafür zu wenig oder gar kein Geld.

Zeit: das neue Luxusgut

Hieran erinnern die Fragen von Teresa Bücker in „Alle_Zeit – eine Frage von Macht und Freiheit“:

  1. Frage: Womit möchtest du deine Zeit verbringen?

  2. Frage: Mit welcher Arbeit möchtest du (später einmal) Geld verdienen?

Gibt es da einen Unterschied? Und auch: wer kann es sich leisten, diese Fragen zu trennen?

Ähnlich wie Erich Fromm geht auch Teresa Bücker davon aus, dass es hierfür ein neues Gesellschaftsmodell braucht.

Jedenfalls scheinen beide Fragen Schlüsselfragen zu unserer Kultur zu sein, vor allem auch zu unserer Zeitkultur.

Zeit ist ein kostbares Gut geworden. Es ist immer weniger Zeit zum gründlichen Nachdenken, zum Forschen, zur Selbstvergessenheit, für Gespräche, für künstlerisches Schaffen.

Besonders Künstler_innen wissen, wer produktiv sein will, braucht eigentlich den Flow. Der lässt sich aber nicht in ein Zeitfenster pressen.

„Kritisch ist die Verknüpfung von Identität und Erwerbsarbeit dann, wenn wir nicht mehr zwischen glücklich und erfolgreich unterscheiden können.“ (Teresa Bücker)

Wer möchten wir sein?

Wer also möchten wir sein?

Zeitfragen sind Schlüsselfragen zu unserer Identität.

Womit möchten wir unsere Zeit verbringen?

Können wir wieder an den Flow der Kindertage anknüpfen?

Warum eigentlich nicht?

Warum bauen wir uns nicht einfach die Gesellschaft, die das Wertvolle in den Vordergrund stellt.

Und das Notwendige zu dem degradiert, was es ist: das Mittel zum Zweck.

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