PARALLELAKTION

metoo

Cover von “Noch Wach?” bearbeitet mit https://simplify.thatsh.it/, 2023

Der Autor löst bei mir ein generationales „Ach ja, den gibt’s ja auch noch”-Kopfnicken aus. Ein gewisses Maß an unbegründeter Überheblichkeit schwingt da immer mit, so als könnte er etwas dafür, dass er nun auch keine 30 mehr ist, aus einem Jungstar ein alter Platzhirsch geworden ist, einer also, dem man diesen Umstand – wenn man von der Stoßrichtung des Romans bereits gehört hatte – auch vorwerfen könnte. Das Buch liest sich dann jedoch wie ein typischer Stuckrad-Barre. Flüssig und nebenher, mit einem großen Unterhaltungs- und Identifikationsfaktor. Die Charaktere sind wie immer flacherer Natur und sind daher vielleicht so leicht zu verstehen. Der Plot ist wie so oft „aus dem Leben gegriffen“, folgt aber dieses Mal eher den großen Erzähllinien der letzten 10 Jahre, die von #metoo und dem Wackeln des Patriarchats (ob es jemals fällt, ist die Frage?) geprägt ist. Alles in allem bleibt der Autor sich so treu, dass es fast beängstigend ist. Er schreibt wie immer einen klassischen Nicht-Entwicklungsroman, in dem viel über Psychologie gesprochen wird, aber daraus nichts folgt. Die Welt ist nach Stuckrad-Barre eine materialistische, die von Popanz und Ignoranz, von Verdrängung, Vorteilsnahme, Missgunst und fehlendem Mut geprägt ist. Letztgenannte Eigenschaften bilden den literarischen Ur-Sud, den der Autor auf kleiner Flamme köcheln lässt. An jeder Blase, die da blubbernd, platzend vergeht, freut sich die Leser:innenschaft, doch was bleibt ist wie immer … nichts, nada, nothing. Allenfalls ein weiterer Roman der Generation X, der sich und seinen Angehörigen vergewissert, dass man auch mit über 40 noch genauso pathetisch nichts sagen kann, wie mit 20. Und dennoch ist „Noch wach?“ ein guter Roman, weil es ein wichtiges Thema behandelt und nicht frei von Selbstkritik (okay, das ist ja immer Teil der Pathogenese à la Stuckrad-Barre) gerade noch schafft ernst genommen werden zu können. Dass sich am Ende nichts ändert, die Täter weiterhin die Macht behalten und die Opfer, die sich gegen das System gewandt hatten, an der Perfidie des Systems (aka Realität) zerbrechen und nur die Wahl haben, sich in ein „weiter wie vorher oder den Untergang“ zu flüchten, könnte am Ende der beste Move des Autors gewesen sein. Warum? Weil ein Sieg im Buch unter Umständen darüber hinwegschauen ließ, dass in Wirklichkeit der Kampf gegen solche patriarchalen Systeme noch lange nicht gewonnen ist.