Das Teufelsmoor.

“Worpswede”.

Ein paar Mal musste ich es aussprechen, noch öfter schreiben, bis es so richtig fehlerfrei gelang.

“Worps bedeutet Hügel, Wede der Wald” erläutert die Webseite.

Das Reiseziel war als Microabenteuer schon länger im Blick. Sehr spontan entschied ich am Abend vorher, mein Fahrrad (eBike) mitzunehmen.

Und das war eine weise Voraussicht.

Reisend unterwegs sein.

Reisende sind interessant für andere Menschen. “Wo kommst du her? Wo gehst Du hin?” Ein bisschen fühlt es sich wie auf einem Pilgerweg an, so stelle ich es mir jedenfalls vor. Oder beim Camping.

Meine Beobachtung: Menschen mit Fahrrädern sind interessanter als Menschen mit Koffern.

Ein älteres Paar tauschte sich mit einem anderen über seine Reisen aus. Die einen hatten gerade Estland und Lettland befahren, die anderen Schweden und Dänemark. Fazit: Die Radewegeinfrastruktur bekommt in Schweden und Dänemark Bestnoten.

Von Bremen aus bin ich dann mit dem Fahrrad weitergefahren. Je nachdem welche Route man wählt, ob durch das Moor an den Flüssen entlang oder eine Direktverbindung, sind es 25 bis 30 km.

Bei der Einfahrt in den Ort, der heute um die 10.000 Einwohner zählt, zu Zeiten der ersten Künstler waren es wohl um die 700, war ich etwas enttäuscht. Irgendwie hatte ich mir mehr Bunt – Kreatives vorgestellt, tatsächlich wirkte es auf mich sehr normal, ja sogar etwas unromantisch, wie ein Gewerbegebiet.

Nachdem ich die Unterkunft bezogen hatte, bin ich wieder durch den Ort gekurvt, um weitere Eindrücke zu gewinnen und bei einem Stopp gesellte sich ein Paar zu mir, ein Ehepaar mit Hund, das auf der Durchreise nach Travemünde war, um dort die Fähre nach Finnland zu besteigen.

Sie wollten dort in einer Hütte ohne Strom und Wasser ein paar Wochen verbringen.

Irgendwie erhielt ich auf diese Weise, wie durch ein Brennglas, einen Eindruck, was manche Menschen nach Antritt der Rente so tun. Andere gehen vielleicht eher auf Kreuzfahrt.

Das Moor.

Ich fuhr noch den Weyerberg zur Kirche hinauf, wo Paula und Clara Schabernack getrieben haben sollen. Aber auch hier fand ich vorerst nicht, wonach ich suchte.

So entschied ich zum Ausgangspunkt zu fahren, der die Künstler veranlasst hatte, sich hier nieder zu lassen.

Ins Moor.

Und plötzlich verstand ich besser.

Die Landschaft ist atemberaubend, die Birkenalleen, die Hamme, die Weite.

Klar, dass die Maler hier ihre Motive gefunden haben. Und spannend zu verstehen, dass hier das Altbewährte in der Kunst auf das Moderne traf. Dass die ehemaligen Schülerinnen über ihre Lehrer hinaus gewachsen sind.

Mondnächte, Birkenzauber, Moorkähne, Wolkengestalten, Frühling und Herbst, Sommer und Winter, Moorkaten, kornreife Felder, Heuballen, Lichterfahrten auf der Hamme, weiße Kühe, Trostlosigkeit und parkähnliche Gärten, Armut und Reichtum, das Armenhäusle, Wege, Frauen, Männer, Kirchen, Akte.

Die Maler und Malerinnen haben sich mitten reinbegeben in die Häuser, ihre Staffeleien aufgestellt und Alltagssituationen einzufangen versucht. Bis die Hausfrauen durch Räucheraktionen auf dem Herd, sie wieder hinaus trieben.

Die Künstler wollten sich von den Zwängen der wilhelminischen Ära befreien. Luftbaden, in den Flüssen schwimmen, frei sein, das war ihre Sehnsucht, denn das Korsett, in das sie die Zeit zwang, war im wahrsten Sinne des Wortes zu eng.

Das Flussbad war eine neue Erfahrung. Der Fluss hat so gut wie keine Strömung.

Und das Wasser fließt beim Schwimmen bräunlich über die Haut.

Moorbaden eben.

Es war das Highlight des Tages.